Immer wieder begegne ich in den Bergen Menschen, die selbst in steinschlag- und sturzgefährdetem Gelände keinen Helm tragen. Entweder aus Faulheit und Unwissenheit, oder aus tiefster Überzeugen, weil ein Helm im Falle eines Sturzes eh nichts bringen würde. Doch was ist wirklich dran, am Schutzfaktor Helm?

#helmetup

Der Kletterausrüster Petzl hat vor einiger Zeit die Kampagne, ,,helmetup“, ausgerufen. Damit will man eben diesen ,,Helmverweigerern“ begegnen und Aufklärung betreiben. Denn dass der Helm im Fall der Fälle über Leben und Tod entscheiden kann, ist keine Ansichtssache, sondern empirisch belegbar!

Egal ob bei Steinschlag oder Sturz – in beiden Fällen wirkt eine gewisse Stoßenergie auf den Schädel ein. Ein Helm bildet eine Zwischenschicht, die die Stoßenergie absorbiert und umverteilt, um den Schädel vor lebensbedrohlichen und tödlichen Verletzungen zu bewahren.

Tim mit Helm am Berg
Helmetup auch Untertage

Normsache

Damit ein Helm in Europa fürs Bergsteigen und Klettern zugelassen werden kann, muss er der Norm EN-12492 entsprechen.
Wie ist der Ablauf des Normtestverfahrens?

  1. Konditionierung: Dabei wird ein 5kg-Gewicht aus zwei Metern Höhe auf den Helm herabgestürzt. Die auf den Kopf einwirkende Kraft darf 10kn nicht überschreiten.
  2. Frontale, laterale, dorsale Energieaufnahmeprüfung: Während der Helm um 60 Grad geneigt ist, wird eine 5kg schwere Stahlplatte jeweils auf eine der vier Seiten des Helmes aufgeschlagen. Die auf den Kopf übertragene Kraft darf ebenfalls 10kn nicht überschreiten.
  3. Durchdringungsprüfung: Ein 3kg schwerer Kegel wird aus einem Meter Höhe zweimal auf den Helm gestürzt. Die Spitze des Kegels darf die Kopfhaut nicht berühren.
  4. Festigkeit des Tragesystems: Hierbei wird das Tragesystem mittels zweier Zylinder einer Zugprüfung unterzogen, um die Dehnbarkeit des Riemens zu testen. Diese Dehnbarkeit darf sich nur in einem bestimmten Rahmen bewegen.
  5. Wirksamkeit des Tragesystems: Hier wird unter einer Belastung von 10kg versucht, die Hinter- beziehungsweise Vorderseite des Helmes nach schräg Oben wegzuziehen. Der Helm darf dabei nicht vom Kopf rutschen.

Moderne Helme entsprechen außerdem dem UIAA-106-Standart, der etwas strenger als das EN-Pendant, dafür aber freiwillig ist und sind CE zertifiziert.

Innenansicht Helm
Norm & Gewicht
Norm & Gewicht

Keine Sturzhelme

Gemäß EN-12492 und UIAA-106 genormte Helme sind keine Sturzhelme, sondern schützen lediglich vor herabstürzenden Gegenständen.

In einer amerikanischen Studie (2017) wurden Modelle der drei Helmarten in frontalen, lateralen und dorsalen Sturzszenarien geprüft. Heraus kam, dass alle drei Helmarten im Falle eines Sturzes keinen zufriedenstellenden Aufprallschutz bieten. Die Inmold-Helme haben dabei jedoch am Besten abgeschnitten und in einigen Tests unterhalb der Verletzungsgrenze bestanden.

Die drei Helmarten

Hartschalenhelme

Mit wenig mehr als einer stabilen und robusten Plastikschale und einem Gurtsystem ausgestattet, ist er der preisgünstigste und robusteste Helm. Man kriegt ihn schwer kaputt, muss wenig bezahlen und bei Steinschlag schützt er exzellent. Allerdings ist er auch der schwerste Helm und bietet bei Stürzen wenig Schutz.

Hartschalenhelm

Hybridhelme

Diese Helmkategorie besteht aus Elementen der Hartschalen- und Inmold-Helme. Sie besitzen eine ebenso robuste, allerdings meist etwas dünnere, rundumlaufende Hartschale wie die Hartschalenhelme. Sie sind aber im oberen Innenraum, teilweise auch fast im kompletten Innenraum, mit einem dämpfenden Schaum ausgekleidet. Diese Helme sind etwas leichter, aber genauso robust wie die Hartschalenhelme und bieten ein Plus an Dämpfung und Schutz.

Hybridhelm

Inmold-Helme

Hierbei handelt es sich um sogenannte aufgeschäumte Helme. In eine Polycarbonat-Schale wird EPP-Schaum aufgeschäumt und somit eine weiche, dämpfende Schicht mit einer schützenden, leichten Außenschale kombiniert. Diese Helme umfassen den Kopf umfänglich, meist bis weit in den Nacken herunter. Dadurch absorbieren sie die Stoßenergie bei Stürzen am Effizientesten.  Außerdem handelt es sich hier um die leichtesten, allerdings auch teuersten und am wenigsten langlebigen Helme.

Inmold-Helm

TOP-AND-SIDE-PROTECTION-Label

Seit der amerikanischen Studie hat sich einiges im Thema Sturzsicherheit getan. Die Normen werden zumindest diskutiert und die Hersteller versuchen ihre Helme freiwillig immer sicherer zu bauen.
Petzl hat mittlerweile ein eigenes Label mit eigenem Testverfahren entwickelt, um seine Helme auch Sturzsicher zu machen. Die vorherrschenden Normen beziehen sich nur auf den oberen Teil des Helmes, nicht wirklich auf die Seiten. Doch die mit diesem Label ausgezeichneten Petzl-Helme werden, ähnlich der amerikanischen Studie, frontalen, lateralen und dorsalen Aufpralltests unterzogen. Diese Helme verfügen über einen so guten Aufprallschutz, dass sie sogar über die CE-Zertifizierung für Skitourenhelme verfügen.

Der richtige Helm

Welchen Helm nehme ich denn jetzt wofür?

Hartschalen- und Hybridhelme werden gerne von Einsteigern für moderate Bergaktivitäten wie Klettersteige verwendet. Gerade der Hybridhelm kann für nahezu jede Sportart verwendet werden und erfreut sich aufgrund seiner robusten und vergleichsweise sicheren Bauweise großer Beliebtheit.

Beide bieten guten Schutz bei Steinschlag, sind robust, sehr langlebig und preisgünstig. Allerdings bietet vor allem der reine Hartschalenhelm bei Stürzen nur einen minderen Schutz und ist mit einem Gewicht von 300-500 Gramm sehr schwer und daher nicht wirklich für langes Tragen, bei anspruchsvoller Aktivität geeignet.

Die Inmold-Helme werden häufig für lange und/oder anspruchsvolle Touren und Klettereien verwendet. Sie sind sehr leicht und bequem. Sie umschließen den ganzen Kopf mit ihrem Hartschaum und bieten daher nicht nur bei Steinschlag, sondern auch bei Stürzen mittlerweile einen guten Schutz. Allerdings sind sie relativ teuer und nicht sehr langlebig, da die Oberfläche sehr anfällig für Beschädigungen ist.

Tim Wiegel

Tim Wiegel

Freelancer bei Doorout.com

Von Kleinauf draußen unterwegs, hat es ihn immer wieder in die verschiedensten Facetten des Outdoor-Sports getrieben. Neben dem Wandern und Bergsteigen ist er dann vor allem bei der Höhlenforschung hängengeblieben. Auf der Suche nach den letzten echten Abenteuern zieht es ihn immer wieder in die verborgene Unterwelt.

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